Donnerstag, 8. März 2012

[REZENSION] "Erbeerkönigin"

Cover
Die Autorin
Silke Schütze, Jahrgang 1961, lebt in Hamburg. Nach ihrem Studium der Philologie war sie Pressechefin bei einem Filmverleih und Chefredakteurin der Zeitschrift CINEMA. Sie hat bereits zahlreiche Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht und hält Schreiben für die zweitschönste Sache der Welt. 2008 wurde Silke Schütze vom RBB und dem Literaturhaus Berlin mit dem renommierten Walter-Serner-Preis ausgezeichnet.

Produktinformation
Link zu Amazon
Taschenbuch: 400 Seiten
Verlag: Knaur TB (1. März 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3426508346 / ISBN-13: 978-3426508343 
Größe und/oder Gewicht: 19 x 12,4 x 3 cm

Leseprobe
Quelle: Droemer Knaur  *garantiert wunderschöne Lesestunden*


Die Geschichte...
Ein Brief von einem Hamburger Anwalt ändert Evas Leben: Daniel, den sie mit 19 zum ersten & letzten Mal gesehen hat und mit dem sie ein paar wunderschöne Stunden verbracht hat, ist verstorben und ausgerechnet Eva soll eine Rede bei der Bestattung halten! Kurzerhand flieht sie vor der Eintönigkeit ihres Alltags und lässt Mann, Kind und Haus in beschaulichen Örtchen Bienenholz zurück. Denn die gelernte Krankenschwester erinnert sich an die unbeschwerte kurze Zeit, die sie mit Daniel verbracht hat, fährt nach Erhalt des Briefes mit dem Zug nach Hamburg und setzt sich dort mit Hubertus, Daniels Freund und Anwalt in Verbindung. Eva kann bis zur Beisetzung in 2 Wochen Daniels Wohnung bleiben und so für ihre Grabrede mehr über den erfolgreichen Galeristen herausfinden, den sie eigentlich gar nicht kennt. Und in Hamburg entdeckt Eva wieder, wie schön und abwechslungsreich das Leben sein kann...

Meine Meinung:
Seit einigen Jahren bin ich ein großer Fan der Silke Schütze-Bücher und nachdem mich zuletzt "Kleine Schiffe" so begeistert hat, musste ich natürlich auch das neueste Werk "Erdbeerkönigin" lesen. Sowohl der Titel als auch das Cover passen schön zur Geschichte. Die Geschichte beginnt im Juni mit Mittwoch, Tag 1 und endet am Mittwoch, Tag 15. Die Schauplätze in Hamburg werden so bildhaft beschrieben, dass man meint, gemeinsam mit Eva vor Ort zu sein.

Eva Brandt ist an einem Punkt angelangt, wo sie mit sich und ihrem Leben unzufrieden ist: Sie vermisst ihre Eltern, denn ihr Vater ist gestorben, als Eva 12 war und ihre Mutter wurde vor 3 Monaten bei einem Autounfall getötet. Ihre Ehe mit Nick kriselt, der 17-jährige Sohn Benny sieht sie als selbstverständlich an, das Leben im niedersächsischen Dorf Bienenholz ist sehr geruhsam und ihre Arbeit als Krankenschwester sowie die ehrenamtlichen Tätigkeiten füllen sie nicht aus. Als die 42-jährige Ex-Erdbeerkönigin den Brief von Daniels Tod erhält, entscheidet sich Eva spontan für einen Besuch in Hamburg, wo der verstorbene Galerist Daniel Eisenthuer gelebt und gearbeitet hat. Dabei macht sie die Bekanntschaft des Anwalts Hubertus Münchmeyer, der gleichzeitig auch Daniels bester Freund war, lernt Daniels Ex-Frau Alexandra und die gemeinsame 12-jährige Tochter Mia kennen und trifft auf einer Erkundungstour "Dr. Lenchen", eine lebensbejahende pensionierte Ärztin, die in einem Altersheim lebt und den russischen Straßenmusiker Stani, der wie Evas beste Freundin Alissa gern Tschechow rezitiert und wunderbar Akkordeon spielt.

Alle mitwirkenden Protagonisten, auch die reizvoll gestalteten Nebenfiguren, sind interessante, facettenreiche Persönlichkeiten, die mit ihren Ecken, Kanten & liebenswerten Macken überzeugen und sehr menschlich wirken. Eva macht die beachtlichste Weiterentwicklung durch, da sie durch den Hamburg-Aufenthalt wachgerüttelt wird, viel über ihr Leben nachdenkt und sich ihren Ängsten stellt.

Ich-Erzählerin Eva schildert die emotionalen Begebenheiten aus ihrer Perspektive und begibt sich dabei in eine Gefühls-Achterbahn, die aus Trauer, Enttäuschung, Liebe, Freundschaft und Hoffnung besteht. Zwischendurch erfahren wir in Rückblenden, was damals, vor über 20 Jahren, passiert ist. Auch wenn man sich nicht in der gleichen Situation wie Eva befindet, identifiziert man sich schnell mit dem sympathischen Landei und kann ihre Handlungen & Taten nachvollziehen.

Die Kapitel beginnen immer mit einer Frage aus dem (mir bis dato unbekannten) Spiel "Gesprächsstoff: Original", wobei folgende Fragen -die einem bei ehrlicher Beantwortung Kopfzerbrechen bereiten können- vorkommen: Welchen Titel würdest einem Buch über dein Leben geben?, Was würdest du gern besser können?, In welchem Alter hattest du die beste Zeit deines Lebens?, Wenn man einen Film über dein Leben drehen würde, welche Momente sollte dieser auf jeden Fall enthalten?, Was ist dir wichtiger: Freiheit oder Sicherheit?

Silke Schütze hat das Thema Tod einfühlsam in eine berührende Geschichte verpackt und schickt ihre Hauptperson Eva auf eine bewegende Reise, um mehr über Daniel zu erfahren und herauszufinden, warum ausgerechnet sie Daniels Grabrede halten soll. "Erdbeerkönigin" hat es geschafft, mich gleichzeitig zum Weinen und zum Lachen zu bringen - ein Kunststück, dass nicht viele schaffen und das der Autorin bereits in "Kleine Schiffe" gelungen ist. Vor allem in der 2. Hälfte nehmen die Szenen mit gesteigertem Taschentuchverbrauch zu. Dank der wunderschönen, gefühlsbetonten Schreibweise, der anschaulichen Beschreibungen und der unterhaltsamen Dialoge mit einer gehörigen Portion Wortwitz lassen sich die 400 Seiten rasend schnell & flüssig lesen.

FAZIT:
"Erdbeerkönigin" ist wie eine Wundertüte: Man weiß nie, was alles Nächstes kommt. Denn Silke Schütze überrascht ihre LeserInnen mit einer wundervoll feinfühligen Geschichte, die vom Leben & Tod erzählt und mit einer überaus liebenswerten Hauptperson sowie einem gefühlvollen Schreibstil zu bezaubern weiß. Dafür bekommt dieser Roman, der zum Nachdenken anregt, 5 (von 5) Punkte mit Extrastern



ZITAT Seite 23:
"Ich betrachte den zusammengeknüllten Joghurtbecher, die Kaffeeflecken auf dem Tresen und die dunklen Spuren auf der Vorderseite des Küchenschranks, die braunen Lachen auf dem Fußboden. Ich lausche dem Krach von oben. Auf einmal sehe ich mich selbst aus der Vogelperspektive. Eine Frau, nicht mehr jung, aber noch nicht alt. Eine Frau, die in ihrem Leben steckengeblieben ist zwischen Gewohnheiten und Ritualen wie in einem Auto, das in einer Parklücke von anderen zugeparkt wurde. Aber dann verschwindet wie durch Zauberhand eines der anderen Autos, die Frau legt den ersten Gang ein und fährt davon."

ZITAT Seite 47:
"Um vier Uhr nachts ist der Mensch am einsamsten. Es ist nicht möglich, jemanden anzurufen, weil man plaudern möchte. Wer um diese Zeit anruft, hat Schreckliches mitzuteilen: den Tod, eine Trennung, das Aufdecken eines Verrats. In dem normalen Alltagskummer darf man dann niemanden belästigen. Um diese Uhrzeit muss man sich einsam nach Trost sehnen. Um vier Uhr nachts sind die Gespenster der Vergangenheit lebendiger, das Bedauern um verpasste Gelegenheiten größer, die Ängste vor dem Leben spürbarer als zu einer anderen Tageszeit."

ZITAT Seite 103:
"Erdbeerkönigin zu sein war für mich nur mehr als ein skurriler Titel, das wird mir zum ersten Mal klar. Erdbeerkönigin war ein Lebensgefühl. Es hat mich glücklich gemacht, Erdbeerkönigin zu sein. Die Menschen freuten sich, über mich. Und über die Erdbeeren. Sie begrüßten mich mit ihren eigenen Kindheitserinnerungen und die Freude über den Sommer."


ZITAT Seite 186:
"Leider gibt es für das Leben keine Gebrauchsanweisung. Jeder Tag ist neu. Aber das ist auch immer die Chance zu einem Neuanfang."

ZITAT Seite 213/214:
"Daniel fragte: "Was bedeutet Glück für dich?" Eva dachte nach. Es fiel ihr schwer, die Gedanken, die in ihrem Kopf durcheinanderliefen, in Worte zu fassen. Doch da flackerte eine Erinnerung in ihr auf und die sagte: "Meine Mutter hat vor ein paar Jahren einmal für die Ferien ein Haus an der Nordsee gemietet. Da waren wir einen Sommer lang. Ich bin manchmal allein mit dem Fahrrad los. Habe meine Strandtasche gepackt und bin den Deich hochgefahren." Daniel sah sie neugierig an. Eva fuhr fort: "Der Moment, kurz bevor man auf dem Deich angelangt ist, der Moment, in dem man das Meer schon hören und riechen kann, der Moment, in dem man weiß, dass man in der nächsten Sekunde das Meer sehen wird - das ist Glück." Sie schloss die Augen und sah wieder das alte rosafarbene Fahrrad und ihre bunte Strandtasche vor sich. Dem grün bewachsenen steilen Deich und dann das Meer, das am Horizont mit dem Himmel verschmolz und ihren Blick in die Unendlichkeit lenkte." (damals)




14 Kommentare:

  1. Danke für die tolle rezi, das Buch kommt bei mir als nächstes dran!

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Sabine,
    ich lese das Buch grade und bin noch nicht ganz so weit - Zeitmangel. *seufz* Aber es ist wunderbar zu lesen, bin schon gespannt wie es weitergeht. Deine Rezi behalte ich im Hinterkopf, die gucke ich mir erst genauer an wenn ich selbst durch bin. ;o)
    Liebe Grüße
    Melanie

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Melanie,
      genieß das Buch, es ist wirklich wunderschön zu lesen. :)
      Bin auch auf deine Meinung gespannt und was du von meiner Rezi hältst.

      LG
      Sabine

      Löschen
    2. So Sabine, ich hab das Buch heute morgen beendet und kann mich Deiner Meinung nur voll und ganz anschließen! Was habe ich besonders bei den letzten Seiten weinen müssen, ich konnte stellenweise nicht weiterlesen weil ich mich erstmal beruhigen und Taschentücher suchen mußte. ;-) Genauso ging es mir letztes Jahr beim Lesen von "Kleine Schiffe", Silke Schütze schafft es mit ihren Geschichten so zu berühren wie es nicht vielen gelingt. "Erdbeerkönigin" ist sicher eines meiner Bücher des Jahres 2012, wenn nicht das Buch...
      Das von Dir zuletzt aufgeführte Zitat aus dem Buch ist auch mein Favorit, weil ich es so gut nachfühlen kann. Jedesmal auf´s neue ist es ein ganz besonderer Moment wenn wir nach Ameland fahren und den Deich erreichen, irgendwie magisch. :-)
      Liebe Grüße und noch ein schönes Wochenende,
      Melanie

      Löschen
    3. Hallo Melanie,

      es freut mich total, dass wir einer Meinung sind. :)
      Ich fand ja schon "Kleine Schiffe" wunder-wunderbar, aber "Erdbeerkönigin" ist eine Klasse für sich...
      Taschentücher hab ich während des Lesens einige verbraucht und vor allem das letzte Drittel hat sehr auf die Tränedrüsen gedrückt. Und Silke Schütze versteht es wirklich, ihre Leser zu berühren. =)

      Wünsche dir ein zauberhaftes Wochenende
      Sabine

      Löschen
  3. Was für eine tolle Rezi und nun wandert das Buch gleich noch ein bisschen höher auf meinen Wunschzettel! Ich muss ja auch noch Kleine Schiffe lesen bzw. auf meinen Wunschzettel schreiben...
    LG
    Martina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Freut mich, dass dir meine Rezi gefällt. :)
      Ich glaube, da merkt man auch meine Begeisterung für das Buch. "Kleine Schiffe" ist auch ein wundervolles Buch. War eins meiner Highlights im letzten Jahr.

      Und bitte schnell kaufen & lesen...

      LG
      Sabine

      Löschen
  4. Ich habe während des Lesens gedacht: "Das Buch ist auf alle Fälle etwas für Manuela, Martina & Nicki (wink)." Und ich hatte recht... ;-)

    LG
    Sabine

    AntwortenLöschen
  5. Danke für die tolle Rezi! Ein Buch hab ich von dieser Autorin schon gelesen. Das möcht ich nun auch wieder tun. Und so ist das Buch schon auf meiner Wunschliste gelandet.
    lg Sandra

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Sorry, liebe Sandra, aber deinen Kommentar habe ich glatt übersehen...
      Bin gespannt, wie dir "Erdbeerkönigin" gefallen wird. Hast du zufällig "Kleine Schiffe" gelesen? Das ist nämlich auch soooo schön-traurig. :)

      LG
      Sabine

      Löschen
  6. Ein schönen Blog hast du - Kompliment!

    Vielen Dank für die tolle Rezension, die dem, was ich beim Lesen des Buches empfunden habe, unsagbar nahe kommt.
    Ein wunderbares Buch, das mich sehr zum Nachdenken angeregt hat, aber (dennoch) leicht zu lesen war.

    Kannst du mir evtl. ähnlich gute Bücher empfehlen (ich fange - leider nach langer Pause - erst wieder richtig mit dem Lesen an. - Empfehlungen gerne auch direkt an meine Mailadresse.

    Liebe Grüße

    Eva

    (eva.ohrem@onlinehome.de)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Eva!

      Herzlich willkommen hier! Freut mich, dass dir mein Blog gefällt.
      "Erdbeerkönigin" ist aber auch ein zauberhaftes Buch, das frau einfach lieben muss. :)

      Betreffend der Buchtipps verlinke ich dir ein paar meiner Rezensionen ähnlicher Bücher:
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2012/03/rezension-diat-pralinen.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2011/07/rezension-dann-klappts-auch-mit-dem.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2011/07/rezension-immer-fur-dich-da.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2011/02/rezension-sahnehaubchen.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2011/01/rezension-erdbeertraume.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/11/rezension-festtagsstimmung.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/10/rezension-links-und-rechts-vom-gluck.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/10/rezension-was-aus-liebe-geschieht.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/09/rezension-kleine-schiffe.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/09/rezension-heute-schon-getraumt.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/09/rezension-unter-deinem-stern.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/09/rezension-goldstuck.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/09/rezension-fur-immer-dein-dad.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/09/rezension-ich-molly-marx-kurzlich.html
      http://buechersuechtig-sabine.blogspot.com/2010/08/rezension-wolkenspiele.html

      Ich hoffe, es ist etwas für dich dabei. :)

      Liebe Grüße
      Sabine

      Löschen
    2. Hallo Sabine,

      vielen lieben Dank für diese Liste und deine Mühe - da ist sicher was dabei und deine Rezensionen werde ich jetzt eh immer lesen; du hast mir so aus der Seele gesprochen mit der Rezension zur Erdbeerköniging!

      Löschen

Ich freue mich sehr über (ernstgemeinte) Kommentare zu meinen Posts. Immer heraus mit eurer Meinung...

Büchersüchtige Grüße,
Sabine